Vor kurzem habe ich die Hass-Liebesgeschichte zwischen mir und meinem Körper aufgeschrieben. Manchmal reicht es aber nicht, Dinge bloß zu erzählen. Ich hatte Lust, etwas mit meinem Körper zu MACHEN. Ihn als Vorlage für ein künstlerisches Experiment zu nehmen.
Wenn wir (Millionen von Menschen, meistens Frauen, inklusive mir) in den Spiegel schauen, konzentrieren wir uns oft nur auf Details. Wir betrachten uns nicht als Ganzes, sondern als Ansammlung von Körperteilen. Ganz besonders fallen uns dabei leider die auf, die wir am liebsten abmontieren oder komplett redesignen würden. Den Speck auf den Hüpften, die Dehnungsstreifen am Bauch, das Muttermal unterm Auge.
Seit ich Mutter bin, piesacke ich meinen Körper zwar viel weniger mit gemeinen Gedanken und Worten. Aber der nächste Rückfall lauert garantiert hinter irgendeiner Topmodel-plakatierten Straßenecke.
Um mich also immuner gegen Schönheitsideale aller Art zu machen, wollte ich mich wieder an meinen Körper als Ganzes erinnern. Ich wollte sichtbar machen, wie viel Raum er in dieser Welt einnimmt, welche Form er nach 28 Jahren Lebenszeit und einer Schwangerschaft hat. Ich wollte ihn feiern.
Ich fertigte drei Umrisse meines Körpers an. Oder vielmehr ließ ich sie anfertigen, denn ich selbst lag dabei einfach nur still da. (:
Es fühlte sich komisch an, als der Stift mich langsam umrandete, aber auf eine schöne Weise komisch. Da entstand gerade ein lebensgroßer Abdruck von mir. Das war ziemlich aufregend und ich unglaublich neugierig. Denn so hatte ich mich noch nie zuvor gesehen.
Jede der drei Silhouetten sah etwas anders aus. Ich mochte sie alle. Trotzdem war es strange, davor zu stehen und zu wissen: Das bin also ich. Meine Form. Mein Körper.
Dann wollte ich die drei Umrisse füllen. Für jeden habe ich mir ein anderes Spiel ausgedacht.
Die erste Silhouette
Die erste Silhouette malte ich komplett mit goldenem Filzstift aus. Ich nahm dazu extra keinen fetten Stift, sondern entschied mich für eine 1,5 Millimeter dicke Spitze. Es ging darum, Zeit mit meinem Körper zu verbringen und mir seine Ausmaße bewusst zu machen. Ich wollte herausfinden, wie lange ich zum Ausmalen brauchen würde und wie viele dieser Stifte dazu nötig wären.
Nach insgesamt 4 Stunden und 49 Minuten hatte ich jeden Quadratzentimeter meines Körperumrisses vergoldet und acht Stifte verbraucht.
Die zweite Silhouette
Die zweite Silhouette bedeckte ich mit den Abdrücken meines rechten Zeigefingers. Ich wollte wissen, wie oft er „in mich“ hineinpassen würde.
Erst grundierte ich das dunkle Papier mit Weiß.
Dann begann ich, wild zu mischen und wechselte nach drei bis vier Abdrücken die Farbe. Nachdem ich fertig war, zählte ich die bunten Ovale und nahm dabei jede Farbe noch einmal bewusst wahr.
1518 mal habe ich meinen rechten Zeigefinger in meinen Körperumriss gedrückt.
Die dritte Silhouette
Die dritte Silhouette schrieb ich mit einem einzigen Wort voll: SCHÖN. Ja, ich gebe zu, etwas plakativ. Aber genau das braucht es bei dieser ganzen Körper-Thematik manchmal. Eine kleine Trickserei für das Unterbewusstsein. Damit man alle Selbstzweifel und Diät-Monster dieser Welt abschütteln und sich einfach mal toll finden kann.
Ich wollte herausfinden, wie viele SCHÖNs es braucht, um mich ganz zu bedecken. Die Antwort: 3086. Außerdem ist SCHÖN jetzt definitiv in der TOP5 meiner mistgeschriebenen Wörter. Auch schön. (:
Wie geht es euch mit euren Körpern? Habt ihr schon einmal etwas Ungewöhnliches gemacht, um euch mit ihnen „anzufreunden“?
Schönes Projekt! So was machen Therapeuten zb auch mit Patienten, die magersüchtig sind. Ich weiß nicht, ob ich so was machen würde. Ich glaube ich hätte ein bisschen Schiss vor der Auseinandersetzung mit mir… Ich war zu Schulzeiten sehr dünn und habe die Jahre über langsam immer ein bisschen zugenommen. Jetzt nach Schwangerschaft und (fast) in der Mitte meines Lebens habe ich Kleidergröße 40. Eigentlich normal, trotzdem habe ich immer noch das Bild von früher (und natürlich sämtliche übertriebenen Schönheitsideale) im Kopf. Wir haben nur wenige Spiegel, eigentlich sehe ich mich in der Regel nur im Bad und da nur ein „Brustbild“. Als wir neulich im Urlaub waren und dort ein Ganzkörperspiegel in der Garderobe hing, fand ich das schon anstrengend, jeden Tag so mit meiner Figur/meinem Aussehen konfrontiert zu werden. Daher Kompliment für Deinen Mut & Dein schönes Projekt!!
Danke für deine lieben Worte. Dass ich besonders mutig war, so hab ich das noch gar nicht gesehen. So hat es sich auch nicht angefühlt. Aber wenn ich es mir so überlege, vor drei Jahren hätte ich das vielleicht tatsächlich nicht gemacht. Weil ich, so wie du es beschreibst, Blicke in den Spiegel entweder vermieden oder mit scharfer Selbstkritik kombiniert habe. Ich finde toll, dass du dir bewusst machst, wie du über deinen Körper denkst und dass sich in diese Gedanken fiese Schönheitsideale eingeschlichen haben – wie bei so unglaublich vielen anderen Frauen auch. Richtig los, werden wir sie vielleicht nie. Aber ich glaube, wenn immer mehr Menschen darüber erzählen, wie viel besser es ihnen geht, wenn sie auf diesen ganzen Schönheitsdruck pfeifen, verliert er an Kraft.