Ich konnte mich noch nie einfach hinsetzen und nur atmen. Immer, wenn ich es versuche, gehen meine Gedanken mit mir durch. Erst denke ich an irgendetwas. Dann denke ich, dass ich eigentlich meditieren und nicht so viel denken sollte. Und dann finde ich blöd, dass ich so viel denke und denke darüber nach, warum das so ist…
Auch irgendwelche Apps, die einen Schritt für Schritt ans Meditieren heranführen, helfen mir nicht wirklich weiter. Ich halte nämlich höchstens vier Tage durch und fange Monate später wieder von vorne an.
Was aber immer klappt, ist: Malen. Wenn ich male, dann bin ich ganz bei mir und dem, was ich tue. Ich denke nicht darüber nach, was ich noch einkaufen oder welche Überweisungen ich noch machen muss. Ich male einfach.
Alles hat Pause
Egal wie blöd der Tag war oder wie müde ich gerade bin – alles hat Pause. Ich bündele meine Aufmerksamkeit und richte sie für einige Minuten auf etwas, das mit dem ganzen Alltagskram nichts zu tun hat. Malen ist mein Reset Button.
Der schönste Nebeneffekt ist, dass ich etwas erschaffe: ein Bild. Dabei ist völlig nebensächlich wie gelungen oder „bloß niemandem zeigen“ es ist. Etwas zu schaffen macht gute Laune.
Vor allem an Tagen, die das reinste Chaos sind, hilft dieses eine kleine Bild. Es wertet den Tag auf. Und gibt mir das Gefühl, in diesem ganzen Tohuwabohu etwas Sinnvolles getan zu haben.
Allerdings falle ich nicht zwangsläufig, wenn ich einen Stift in die Hand nehme, in diesen Die-Welt-bleibt-draußen-Zustand. Dafür müssen zwei Dinge erfüllt sein.
Das Setting
Punkt 1:
Es muss klar sein, dass ich die nächsten 20 bis 30 Minuten ganz für mich habe. Wenn ich bereits ahne, dass ich gleich wieder hochspringen muss, weil das Baby weint oder der Postbote klingelt, kann ich nicht loslassen.
Damit ich beim Malen tatsächlich abtauchen kann, brauche ich Ruhe. Das funktioniert bei mir am besten abends, wenn das Kind schläft. Oder morgens, wenn mein Freund auf ihn aufpasst.
Beide Tageszeiten haben etwas für sich. Wenn ich morgens male, bin ich super motiviert, auch den restlichen Tag bewusst zu gestalten. Am Abend ist das Malen wie eine Entspannungsübung und lässt mich zufrieden ins Bett gehen.
Punkt 2:
Utopische Ziele sind verboten. In den 20 Minuten werden nämlich keine neuen Van Goghs entstehen. 😉
Ich nehme mir für jede Mal-Auszeit eine simple Aufgabe vor. Wie zum Beispiel diesen oder jenen Gegenstand in einfachen Linien abzuzeichnen oder eine neue Maltechnik auszuprobieren. Dabei ist es wichtig, dass ich kein bestimmtes Ergebnis erwarte oder es besonders toll machen will. Denn dann entsteht Stress und die positive Wirkung ist dahin.
Am besten sind kleine Experimente, wie mit geschlossenen Augen oder der „falschen“ Hand zu zeichnen. Dann sind die Erwartungen gleich null, ich kann mich ganz auf den Prozess konzentrieren und vom Ergebnis überraschen lassen.
Ich mag es sehr, immer wieder neue Dinge auszuprobieren. Anregungen hole ich mir beispielsweise bei Carla Sonheim – ihr Ansatz lautet „serious and silly“ und ich liebe ihre Online-Kurse.
Es hat aber auch etwas Reizvolles, sich eine einzige Aufgabe herauszupicken und diese jeden Tag zu wiederholen. So wie Kate Bingaman-Burt in ihren Daily Drawings.
Am stärksten fokussiert bin ich übrigens, wenn ich mit den Fingern male. Ich liebe es, flüssige Farbe auf dem Papier zu verschmieren oder mit den Fingernägeln in Ölpastellkreide herumzukratzen, um die darunter liegende Schicht freizulegen. Dann spüre ich das Material und nehme alles noch intensiver wahr.
Wie geht es euch – malt ihr auch gern und könnt dabei runterkommen? Oder habt ihr ganz andere Methoden für euch entdeckt?
Was für dich das Malen ist, ist für mich das Nähen. Aber um völlig im Projekt zu versinken, brauch ich dabei auch Ruhe vom Kind. Ich hatte jetzt lange keine Gelegenheit mich an die Maschine zu setzen, aber gerade heute, als die Maus sagenhafte 2,5 Stunden Mittagsschlaf machte, schaffte ich es, ihr eine „Krone“ für ihren 1. Geburtstag zu nähen. Auch wenn es nur eine Arbeit von 15 Minuten war, ist das Gefühl etwas geschafft zu haben umso größer.
Liebe Grüße!
Nähen – das würde ich auch gern können… allein „mich an die Maschine setzen“ klingt schon cool.
Dinge selber zu machen, von vorne bis hinten, das scheint uns heute tatsächlich oft zu fehlen. Ich vergesse selbst ab und zu, wie toll es ist, etwas mit den eigenen Händen herzustellen. Vor allem, wenn man es – so wie du – für jemand ganz besonderen macht. 🙂